Lyonel Feininger gehört zu den weltbekannten Bildenden Künstlern der Moderne. 1871 in New York geboren, schickten ihn seine deutschstämmigen Eltern nach Deutschland, um ihn Musik studieren zu lassen. Er wandte sich aber zielgerichtet der Bildenden Kunst zu. Ein halbes Jahrhundert lebte und arbeitete Lyonel Feininger in Europa, vornehmlich in Deutschland, durchlitt die schweren Jahre des Ersten Weltkrieges und wurde 1910 einer der ersten Bauhausmeister.
Er arbeitete hart, zielstrebig und äußerst erfolgreich zunächst als Comiczeichner und später als Maler sowie Grafiker im Land seiner Vorfahren, dem er doch immer emotional ambivalent gegenüber bleiben sollte. Mit der Münchner Schmäh-Ausstellung „Entartete Kunst“ im Jahr 1937 nötigten die Nationalsozialisten Lyonel Feininger eine Rückkehr in die USA auf. Er kehrte niemals nach Deutschland zurück. 1956 starb Feininger in New York.
1905 kam Feininger erstmals nach Ribnitz sowie nach Damgarten – seinerzeit noch eigenständige Grenzstädte Mecklenburgs und Vorpommerns. Mit diesem ersten Aufenthalt in der kleinen Stadt am Bodden verbindet sich die berührende Liebesgeschichte zwischen Lyonel Feininger und Julia Berg, seiner späteren zweiten Ehefrau.
Die Kenntnis und die um 80 derzeit bekannten Werke, die es von der Stadt gibt, bewog den
Kunstverein über diese Aufenthalte Feiningers zu forschen und schließlich nach und nach mit viel
Engagement und Unterstützung eine kleine aber inzwischen bedeutende Sammlung originaler
Zeichnungen und Druckgrafiken anzuschaffen und dauerhaft im Lyonel-Feininger-Kabinett der
„Galerie im Kloster“ zu zeigen.
Die Zeichnungen, Holzschnitte, Radierungen und Aquarelle, die in der Folge zu Motiven aus Ribnitz und Damgarten entstanden sind, spiegeln entscheidende Entwicklungen in Lyonel Feiningers künstlerischem Werk wider. Ein Ölgemälde von 1927 stellt die Klarissenkirche des Ribnitzer Klosters dar; viele Kohle-, Bleistift- und Detailzeichnungen entstanden vorab an diesem nordöstlichen Zeichenstandort. Typischerweise näherte sich Feininger jedem eindrucksvollen Motiv mehrfach sowie zeitversetzt immer und immer wieder. Im Atelier entstanden dann größere Bildwerke.
Feininger interessierten neben Seelandschaften, Schiffen und Wolkenbildungen vornehmlich
kleinstädtische Straßenzüge mit Häuserreihen und vor allem mittelalterliche, meist gotische
Architektur – zu finden in Kirchen, Klöstern und Stadttoren des Nordens.
Im Lyonel-Feininger-Kabinett der „Galerie im Kloster“ kann man derzeit 11 originale Druckgrafiken und Bleistiftzeichnungen des Bauhausmeisters sehen, die zu Motiven in der Stadt entstanden sind – darunter schnelle Skizzen, kleine „Naturnotizen“, intensiv durchgearbeitete Bleistiftzeichnungen und weltbekannte Druckgrafiken. Die Ausstellung besteht aus Dauerleihgaben der Ostdeutschen Sparkassenstiftung sowie von Privatpersonen, aber auch der Kunstverein und die Stadt Ribnitz – Damgarten haben Arbeiten angekauft beziehungsweise die Ankäufe finanziell unterstützt.
Bei der Radierung „The Gate“ aus dem Jahr 1912 handelt es sich um ein zentrales Werk im Schaffen von Lyonel Feininger. Das Blatt verkörpert den für Feiningers Werk wesentlichen Übergang zur Dominanz der Architektur als Bildmotiv und die Begründung des prismatisch-kubistischen Stils der kristallinen Formen, wie er für das Hauptwerk des Künstlers kennzeichnend wird. Feininger gelingt es, dem Motiv des Rostocker Tores in Ribnitz eine ideelle Überhöhung zu verleihen. Im Gesamtwerk des Künstlers nimmt diese Grafik die Stellung eines Gründungswerkes ein.
Der Holzschnitt „Das Tor“ von 1918 zeigt ebenfalls das Rostocker Tor. Beide Werke bilden zentrale Elemente einer Motivserie, die für die schon erwähnte Arbeitsweise des Künstlers beispielhaft ist. Der Holzschnitt zeigt deutlich den Einfluss der Expressionisten, denen Feininger nahestand, aber auch noch Elemente Feiningers früherer Bildsprache. In einen Schwarz-Weiß-Kontrast eingebunden erscheint das Tor verkürzt und verdreht, dadurch bewegt und belebt wie die Häuschen in seinen Comics.
Das Lyonel-Feininger-Kabinett kann innerhalb der Öffnungszeiten der „Galerie im Kloster“ besichtigt werden.